„Der Planungsprozess zur Bebauung der Elisabeth-Aue vollzieht sich zyklisch seit den 1990er Jahren.“ So formuliert es die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen auf ihrer Internetseite.
Der Hintergrund: Die Felder im Norden Berlins waren einmal im Generalbebauungsplan der DDR als Bauerwartungsland dargestellt worden. Nach der friedlichen Revolution 1989 wurde das in den rechtlich unverbindlichen Gesamt-Berliner Flächennutzungsplan des Senats übernommen. Wenn es um zusätzlichen Wohnungsbau ging, war es deshalb immer wieder einfach, die im Besitz Berlins befindlichen 73 Hektar großen Felder der Elisabeth-Aue in die Diskussion zu bringen.
Eine unendliche Geschichte?
In den 1990er Jahren hat der Bezirk Pankow diverse Bebauungsplanverfahren für die Felder eingeleitet und wieder eingestellt. 1991 hatte der Senat Pläne für eine „Humboldt-Stadt“. 1999 sollte unter dem Motto „Wohnen im Eigentum – das Haus im Garten“ eine Bauausstellung stattfinden.
Nachdem diese Versuche gescheitert waren, gab es 2014 wieder eine Initiative, die Felder unter dem fantasievollen Motto „Gartenstadt des 21. Jahrhunderts“ mit vier- bis siebengeschossigen Häusern für 5.000 Wohnungen zu bebauen (Rabe Ralf Dezember 2014, S. 9). Die Pläne wurden 2015 von der Bezirksverordnetenversammlung Pankow abgelehnt – auf Grundlage eines Bürgerantrags und mit den Stimmen von CDU, Grünen und Linken.
Daraufhin zog der Senat das weitere Verfahren an sich. Mit einem Werkstattverfahren, der aufwendigen Erarbeitung eines „integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzepts“ und einem Wettbewerb sollte die Grundlage für eine Bebauung geschaffen werden. Eine ergebnisoffene Abwägung fand nicht statt.
Anschließend sollte mit einem Bebauungsplanverfahren das jetzige „Nichtbaugebiet“ – im sogenannten Außenbereich abseits zusammenhängender Ortsteile – als Baugebiet ausgewiesen werden. Auch das scheiterte: 2016 setzten Grüne und Linke im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag bis 2021 nach langen Verhandlungen gegen die SPD durch, die Pläne für eine Bebauung nicht weiterzuverfolgen.
Und wieder: 5.000 Wohnungen
2023 nahmen CDU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag bis 2026 die Elisabeth-Aue wieder in die Liste der „Neuen Stadtquartiere“ auf. Bausenator Christian Gaebler (SPD) hat im Mai 2023 gegenüber der „Berliner Morgenpost“ sogar angekündigt, schon in drei Jahren – also 2026 – mit dem Bau von 5.000 Wohnungen zu beginnen.
Mit einem Bebauungsplan für einen ersten Bauabschnitt soll aus dem „Nichtbaugebiet“ Baugebiet werden. Der Plan soll die rechtliche Grundlage schaffen für etwa 500 Wohnungen, eine Schule, modulare Flüchtlingsunterkünfte sowie Gewerbe. Danach sollen weitere rund 4.500 Wohneinheiten, Infrastruktureinrichtungen und Gewerbe entstehen. Die Beteiligung der Öffentlichkeit dazu soll in Kürze stattfinden.
Vor einer eventuellen Bebauung der Felder muss zunächst das planungsrechtliche „Nichtbaugebiet“ zu einem Baugebiet werden. Der Flächennutzungsplan, in dem die Elisabeth-Aue als Wohngebiet dargestellt ist, ist nicht rechtsverbindlich, sondern nur eine politische Absichtserklärung des Senats. Es gibt also derzeit kein Baurecht. Erst wenn die im Außenbereich liegenden Felder mit einem Bebauungsplanverfahren in Bauland umgewandelt sind, kann ein Bauantrag gestellt werden.
In dem umfangreichen Verfahren müssen die Öffentlichkeit (in zwei Stufen) und die sogenannten Träger öffentlicher Belange beteiligt werden, und abschließend muss das Berliner Abgeordnetenhaus zustimmen. Es gehört also wenig Fantasie dazu, um festzustellen, dass Senator Gaebler sich mit seiner zeitlichen Vorgabe – Baubeginn im nächsten Jahr – etwas vertan hat.
Landschaftsschutz für die Felder
Die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN) und die Bürgerinitiative Elisabeth-Aue setzen sich seit 2014 mit breiter Unterstützung für den Erhalt der gesamten Felder als offene unbebaute Landschaft ein. Sie sind Bestandteil der einzigartigen Natur- und Kulturlandschaft um das Dorf Blankenfelde auf dem Berliner Barnim. Der Bau eines neuen Stadtteils mit 5.000 Wohnungen wäre ein erheblicher dauerhafter Eingriff in diesen wertvollen Landschaftsraum.
In einer Broschüre haben BI und BLN dies schon 2017 ausführlich beschrieben. Ihre Schlussfolgerung: Im Flächennutzungsplan sollten die Felder als Landwirtschaftsfläche dargestellt und in das sie umgebende Landschaftsschutzgebiet Blankenfelde integriert werden.
„Die Bebauung der Elisabeth-Aue ist planungsrechtlich nicht zu begründen“ – so lautet die Einschätzung des Rechtsanwalts für Bau-, Planungs- und Umweltrecht Karsten Sommer. Die Felder liegen nach Paragraf 35 des Baugesetzbuchs im Außenbereich, sind also „Nichtbaugebiet“. Nach Paragraf 35 ist ein Bauvorhaben im Außenbereich nur dann ausnahmsweise zulässig, „wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen“.
Eine Beeinträchtigung dieser Belange liegt jedoch nach Paragraf 35 insbesondere vor, wenn ein Bauvorhaben „Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet“ oder „die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt“. Dies alles würde bei den Feldern der Elisabeth-Aue zutreffen.
Sollte dennoch das Bebauungsplanverfahren mit der frühzeitigen Bürgerbeteiligung noch in diesem Jahr beginnen, bitten BI und BLN alle Bürgerinnen und Bürger, sich mit kritischen Stellungnahmen zur Planung in das Verfahren einzubringen. Dann können wir zuversichtlich sein, dass 2026 auf den Feldern der Elisabeth-Aue keine Baukräne stehen. Es besteht auch die Chance, dass nach der Wahl im Herbst 2026 ein neuer Senat diese Bauabsichten stoppt.
Oskar Tschörner ist Landschaftsplaner und Sprecher der Bürgerinitiative Elisabeth-Aue. Manfred Schubert ist Geschäftsführer der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN), eines Zusammenschlusses von elf Naturschutzverbänden.