Im Gleisdreieck, am Rande des Westparks zwischen dem U-Bahnhof Gleisdreieck im Norden und der Skateranlage im Süden, soll gebaut werden (Rabe Ralf April 2021, S. 15). Es handelt sich um die sogenannte „Urbane Mitte“ – sieben bis zu 90 Meter hohe Hochhäuser mit knapp 120.000 Quadratmetern Fläche, ausschließlich Büros und Gewerbe. Die Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck begleitet das Vorhaben seit 2014 kritisch – mit Erfolg.

Nicht zuletzt aufgrund des Engagements der AG Gleisdreieck beschloss die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Friedrichshain-Kreuzberg Anfang 2024, die „Urbane Mitte neu zu denken“. In einer öffentlichen Planungswerkstatt sollte das Vorhaben dem aktuellen Bedarf und den klimapolitischen Notwendigkeiten angepasst werden.

Investor mit pikanten Verbindungen

Daraus wurde jedoch nichts. Im Juni 2024 zog der Senat den Teilbebauungsplan für das südliche Baufeld an sich. Kurz danach begannen die Investoren der „Urbane Mitte Besitz S.à.r.l.“, mit ersten Abmahnungen gegen Veröffentlichungen der Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck vorzugehen.

Der Investor ist übrigens Teil der zur „Periskop Partners AG“ umfirmierten DLE Group. Dieser Immobilieninvestor, der Immobilienfonds in Luxemburg unterhält – die „Urbane Mitte Besitz S.à.r.l.“ ist Teil davon –, wird jetzt zu 42 Prozent von der in Malta ansässigen Apeiron Investment Group kontrolliert. Pikant ist, dass Apeiron dem Milliardär Christian Angermeyer gehört, einem Kryptowährungs- und Psychedelika-Fan sowie Geschäftspartner des Trump-Unterstützers Peter Thiel. Selbst im Wirecard-Strudel soll Angermeyer dabei gewesen sein.

Die Abmahnungen hatten es in sich: Aussagen zu den klimatischen Auswirkungen, zur Flächenversiegelung, zur Missachtung des Natur- und Artenschutzes und des Denkmalschutzes, zur Sicherheit im Katastrophenfall und schließlich zu den enormen Spekulationsgewinnen sollten unterlassen werden. Es gab jedoch gute Argumente für die AG Gleisdreieck, die Unterlassungsforderungen zurückzuweisen.

250.000 Euro „Ordnungsgeld“

Im Februar dieses Jahres kam dann Post vom Landgericht. Der Investor aus Luxemburg hatte zwei Klagen eingereicht, eine gegen die Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck mit ihrem Vorsitzenden Norbert Rheinlaender und eine zweite gegen Matthias Bauer, Herausgeber des Gleisdreieck-Blogs. Beide Klagen sind fast identisch und beinhalten die gleichen Vorwürfe wie schon 2024, nur wesentlich ausführlicher und mit einem fünf Kilo schweren Anlagenpaket. Unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise sechs Monate Haft, sollen die kritischen Äußerungen verboten werden. Inzwischen hat die AG, ebenfalls sehr ausführlich, ihre Erwiderung an das Gericht gesandt, das Verfahren ist eröffnet.

Die BVV Friedrichshain-Kreuzberg hat ihrerseits im März ein deutliches Zeichen der Solidarität gesetzt und fordert „die Eigentümer der Urbanen Mitte Besitz S.à.r.l. auf, die Unterlassungsklagen gegen die Initiative Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck e.V. und den Verfasser des Gleisdreieck-Blogs zurückzuziehen“. Gleichzeitig honoriert das Bezirksparlament, dass die Aktionsgemeinschaft „für die BVV stets eine überaus sachkundige Gesprächspartnerin für die fachliche Auseinandersetzung mit dem Bauvorhaben im Gleisdreieckpark“ war und ist. Fast alle Fraktionen drückten in dem Schreiben ihren Dank und ihre Wertschätzung für das zivilgesellschaftliche Engagement der AG aus.

Die internationale Vereinigung NoSlapp hat den Vorgang als ein sogenanntes Slapp-Verfahren eingestuft. Slapp steht für „strategic lawsuit against public participation“ – strategische Klage gegen öffentliche Beteiligung. Das ist eine rechtsmissbräuchliche Form der Klage, um Kritiker mundtot zu machen, die laut einer EU-Richtlinie unter Verbot gestellt werden soll.

Vorgeschichte mit Hoffnungsschimmer

Seit 2014 wurde das Bebauungsplanverfahren am Gleisdreieck durch die Angst vor Schadensersatz geprägt. Bis zu 150 Millionen Euro könnten angeblich fällig werden, wenn das im Vertrag vorgesehene Bauvolumen nicht zustande kommen würde – so im Herbst 2022 der damalige Staatssekretär und heutige Bausenator Christian Gaebler in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage.

Bewegung kam in die Sache erst, nachdem die Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck im August 2023 ihr Gutachten zum städtebaulichen Vertrag von 2005 veröffentlichte. Laut dem Gutachten verstößt der Vertrag gegen Paragraf 1, Absatz 3 des Baugesetzbuchs, wonach städtebauliche Verträge, die derart in die Arbeit der lokalen Parlamente eingreifen, nicht zulässig sind.

Ein sogenanntes Slapp-Verfahren ist eine rechtsmissbräuchliche Form der Klage, um Kritik zum Verstummen zu bringen.

Der Bezirk hat das Gutachten wiederum in einem eigenen Gutachten prüfen lassen – mit dem Ergebnis, dass die AG Gleisdreieck im Kern Recht hat. Ein Befreiungsschlag für die Fraktionen in der BVV. „Zum ersten Mal können wir ohne Angst vor Schadensersatz über die Urbane Mitte sprechen“, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Sarah Jermutus im Februar 2024.

Endlich war es möglich, das Vorhaben kritisch und im Interesse der Anwohner, ja des gesamten Bezirks zu gestalten. Das Bezirksparlament war wieder handlungsfähig. Es wurde eine Steuerungsgruppe aus Vertretern der Fraktionen und der AG Gleisdreieck gebildet, die eine neue Bedarfsanalyse auf die Beine stellen sollte. Eine Planungswerkstatt wurde vorbereitet, alles schien auf einem guten Weg.

Bis eben der Senat im Juni 2024 den Bebauungsplan für das südliche Baufeld an sich zog und so den Beteiligungsprozess und die Neuplanung abwürgte. Noch in diesem Jahr soll der Bebauungsplan im Berliner Abgeordnetenhaus zur Abstimmung gebracht werden. Sollte er beschlossen werden, ist die Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck bereit, gegen den Bebauungsplan zu klagen.

Der Kampf geht weiter

Inzwischen hat der Bausenator auch in Neukölln, Pankow, Charlottenburg und erneut in Friedrichshain-Kreuzberg interveniert. Die BVV – auch Gaeblers eigene Partei, die SPD – protestierte scharf, jedoch ohne Erfolg.

Im Gegenteil, Anfang Juni hat der Senat erklärt, auch das größere nördliche Baufeld an sich zu ziehen. Senator Gaebler lieferte dazu eine eigenartige Begründung: Man müsse den Park wieder an den Investor zurückgeben, wenn man die Hochhäuser nicht wolle. Dass der Park planungsrechtlich als Grün festgesetzt ist, dass hier die ökologischen Ausgleichsflächen für den Potsdamer und den Leipziger Platz liegen, dass Zehntausende den Park an schönen Wochenenden besuchen, dass der Investor, die „Urbane Mitte Besitz S.à.r.l.“, nie Eigentümer der Parkflächen war, all das scheint den Senator nicht zu kümmern.

Der Kampf geht also weiter und spielt auf einem weiteren Schauplatz – neben dem Engagement im Park, auf Kiezversammlungen und Nachbarschaftstreffen nun auch vor Gericht. 

Die AG Gleisdreieck bittet um Hilfe dabei, den Angriff der „Urbane Mitte Besitz S.à.r.l.“ abzuwehren. Spendenkonto der Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck e.V. bei der Berliner Sparkasse: DE 15 1005 0000 6603 1693 45, Stichwort: Unterlassung