Über 20.000 dokumentierte Tier- und Pflanzenarten leben in Berlin, was die deutsche Hauptstadt zu einer der artenreichsten Großstädte Europas macht. Im Weitblick spiegelt sich diese Vielfalt in großen Parks und Naturschutzgebieten, näher hingeschaut jedoch genauso auf kleinen Grünflächen, Brachen und – noch näher herangezoomt – auf Balkonen und in Kleingärten.

Dennoch ist das Großstadtleben in menschengemachter Umgebung für viele tierische und pflanzliche Bewohner eine große Herausforderung. Versiegelte Flächen, die vielerorts mit der Urbanisierung einhergehen, machen es zarten Pflänzchen unmöglich, sich zwischen Asphalt und Beton auszubreiten. Monotoner Rasen mag als pflegeleicht gelten, bietet aber nur sehr wenigen Arten einen Lebensraum. Und eine wachsende Zahl invasiver Arten setzt der heimischen Flora und Fauna zu. Vor allem innerstädtische Grünflächen werden häufig zu intensiv gepflegt, übernutzt und verschmutzt.

Beratung von der Stiftung Naturschutz

Die gute Nachricht ist: Alle können dazu beitragen, Berlin grüner, artenreicher und lebenswerter zu machen. Eine neue Ansprechpartnerin dafür ist die Beratungsstelle für biologische Vielfalt, ins Leben gerufen von der Stiftung Naturschutz Berlin. Mit einfachen, kostengünstigen und leicht umsetzbaren Maßnahmen beraten Expert*innen zu Konzepten der ökologischen Verbesserung. Für Wohnungsunternehmen, Firmen, Vereine und andere Organisationen bieten sie Beratung direkt vor Ort, individuelle Empfehlungen und eine langfristige Begleitung an.

Reg Otters leitet das Projekt und beschreibt die Ausgangslage so: „Viele Menschen möchten etwas für die Berliner Umwelt mit all ihren Tieren und Pflanzen tun, wissen aber nicht genau, wo sie anfangen sollen. Genau da setzen wir mit unserer neuen Beratungsstelle an.“

Die Expert*innen besuchen die jeweiligen Flächen, analysieren ihr Potenzial und entwickeln gemeinsam mit den Verantwortlichen ein maßgeschneidertes Konzept. Grundlage ist dabei eine ökologisch ausgerichtete Pflege, die geeignete Rasenflächen in Wildblumenwiesen verwandeln kann. Ergänzt wird sie je nach Standort durch weitere Maßnahmen wie das Anpflanzen heimischer Bäume und Sträucher, das Anlegen von Biotopholzstreifen für Insekten und andere Kleintiere oder das Aufhängen von Nistkästen für Vögel und Fledermäuse.

Reg Otters und Anne Hänel stehen vor einem mit Efeu berankten Baum.

Reg Otters (l.) und Anne Hänel bilden das Team der Beratungsstelle.

Foto: Stiftung Naturschutz Berlin

Nach einer ersten Beratung begleiten die Expert*innen den Fortschritt, helfen bei Problemen und nehmen, wenn nötig, auch Anpassungen vor. „Wir bleiben weiterhin Ansprechpartner*innen und begleiten die Projekte langfristig – das ist uns sehr wichtig“, sagt Reg Otters. Zusätzlich bietet die Beratungsstelle Unterstützung in der Kommunikation an und stellt etwa Vorträge, Textvorlagen und Bildmaterial zur Verfügung.

Wie erfolgreich dieses Konzept funktioniert, zeigt bereits das Pilotprojekt „Vielfalt Leben“ in Kooperation mit der Wohnungsgenossenschaft Märkische Scholle in Berlin-Tempelhof. Hier wurden über einen Zeitraum von drei Jahren eintönige Rasenflächen in lebendige Biotope verwandelt. Mit beachtlichem Ergebnis: Die Zahl der Wildbienenarten konnte zwischen 2017 und 2020 mehr als verdoppelt werden, die Spatzensichtungen vervierfachten sich. Wildpflanzen, die hier gesetzt wurden, konnten sich durch das ökologische Mahdkonzept vermehren und ausbreiten.

Die Steigerung der Artenvielfalt überraschte selbst die Fachleute der Stiftung und ist ein Beweis dafür, dass städtische Flächen mit einfachen Maßnahmen biodiversitätsfreundlich umgestaltet werden können. Und nicht allein für Pflanzen und Tiere hat das einen positiven Effekt: Auch die Mieter*innen der Anlage profitieren von der Aufwertung ihres Wohnumfelds.

Angesprochen fühlen dürfen sich Wohnungsunternehmen, die ihre Außenanlagen naturnah gestalten wollen, genauso wie Firmen, die auf ihrem Betriebsgelände ökologische Akzente setzen möchten, oder Vereine und öffentliche Einrichtungen, die ihre Flächen biodiversitätsfreundlich umgestalten wollen. Aber auch Privatpersonen, die ihren Garten oder Balkon in ein kleines Naturparadies verwandeln möchten, finden online eine Sammlung von Tipps.

... und am Botanischen Garten

Die neue „Beratungsstelle Urbane Biodiversität, Stadtökologie und Botanischer Artenschutz“ soll die umfangreiche Expertise am Botanischen Garten und innerhalb Berlins vernetzen – als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis. Von der idealen Bepflanzung im eigenen Garten über komplexe Themen der artgerechten Stadtbegrünung und das Monitoring gefährdeter Arten und Habitate bis zur genetischen Herkunft wieder auszusiedelnder Pflanzenarten durch Fachleute: Die Botanische Beratungsstelle vermittelt wissenschaftlich fundierte Antworten und sorgt für den entsprechenden Wissenstransfer zwischen den diversen Akteuren in der Stadtgesellschaft.

Ein zentrales Thema dabei umfasst regionales Saatgut und gebietseigene Pflanzen. Leiterin Philine Zieschang sieht ihrer Aufgabe mit Freude entgegen: „Es wird allerhöchste Zeit, dass wir uns verstärkt gegen den Verlust der Biodiversität in unserer Stadt zusammentun.“

Erklärtes Ziel der neuen Beratungsstellen, die beide von der Senatsumweltverwaltung gefördert werden: Unternehmen, Organisationen und Engagierte zu inspirieren und konkrete, umsetzbare Lösungen anzubieten. Denn, so Reg Otters: „Jede naturnah gestaltete Grünfläche macht Berlin klimaresilienter, artenreicher und lebenswerter.“