Der westliche Traum vom ewigen Wachstum geht in Flammen auf, nicht nur in der Traumfabrik Hollywood, und erweist sich als realitätsfernes Hirngespinst, das in Kriege, fortgesetzte Naturzerstörung und in die Klimakatastrophe führt.
1,6 Grad war es zu warm im neuen Rekordjahr 2024. Die Sicherheitslinie zur Klimakatastrophe ist also schon übertreten. Doch jeder wurschtelt einfach weiter vor sich hin, im Großen wie im Kleinen.
Dabei geht es tatsächlich immer schneller Richtung „Klimahölle“ (António Guterres). Um 0,3 Grad erwärmte sich Deutschland allein im Jahr 2024 und ist damit jetzt schon 2,7 Grad wärmer als vor der Industrialisierung. Bald wird es hier sehr, sehr ungemütlich.
Doch wen kümmert es? Die CDU verkündet, wie sie das Wachstum ankurbeln will, ähnlich die SPD und auch die Grünen, die laut Robert Habeck sogar die Rüstungsausgaben fast verdoppeln wollen. Die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht sind erfolgreich, obwohl sie die Überlebensfrage der Menschheit, die Klimakatastrophe, leugnen oder als nebensächliches Problem behandeln.
Keiner will ernsthaft das Klima retten. Ja, sind wir denn im Irrenhaus? Ganz offensichtlich.
Gemeinsam gegen die Ignoranz
Die Linke und alle progressiven Kräfte in der Gesellschaft, auch in der SPD und bei den Grünen, sind jetzt in der Verantwortung für eine gesellschaftliche Mobilisierung gegen das drohende Abdriften in eine Vielfachkatastrophe. Es braucht eine laute, klar vernehmbare Stimme der Vernunft gegen den allgegenwärtigen Wahnsinn des „Weiter so“, gegen Aufrüstung und Kriegseskalation, gegen rechtspopulistische Manipulierung, gegen die eskalierende Klimakatastrophe. Es braucht eine progressive Gegenmacht gegen eine absehbare konservativ-reaktionäre Mitte-rechts-Front, die die Klimakrise leugnet und Kriegsabenteuer plant.
Eine sozial-ökologische Sammlungsbewegung für Frieden, Klimaschutz, Demokratie und soziale Gerechtigkeit ist nötig, mit klaren Zielen: abrüsten, umverteilen, Konzernmacht begrenzen, Demokratie und Gemeinschaft stärken, Klima schützen, Lebensgrundlagen erhalten. Eine Linksfront wie in Frankreich möglicherweise, ein handlungsfähiges, progressives grün-rot-buntes Bündnis gegen die Rechtsverschiebung, den Demokratieabbau und die Klimaignoranz.
Eine wiedererstarkte, sich weit öffnende Neue Linke könnte organisatorisches und strukturelles Rückgrat solch einer neuen Bewegung sein und ihre noch vorhandenen Potenziale einbringen – und so auch ihre eigene Krise und Stagnation überwinden. Es braucht eine neue Bündnispolitik auf der Höhe der Zeit, einen kraftvollen Neubeginn, eine Politik der offenen Hand.
Dem zunehmend technofaschistischen Wachstumsprojekt gilt es ein relevantes Bündnis für das Leben entgegenzustellen, das zumindest den Versuch unternimmt, die Zukunft und die Lebensgrundlagen zu sichern. Die Zusammenhänge zwischen Konzernmacht, fossilem Weiter-so, Aufrüstung, Reichtum und Armut und Naturzerstörung müssen vermittelt werden, konkrete glaubwürdige Alternativen müssen breit popularisiert werden. Klimaschutz wird es nur gegen die Wachstumsinteressen der fossil-automobilen Großkonzerne geben.
Jugend enttäuscht von Grünen
Eine fossile und politisch reaktionäre Gegenbewegung hat es geschafft, die Ampelregierung vor sich herzutreiben. Und statt die Politik zu verändern, haben sich die Grünen selbst bis zur Unkenntlichkeit verändert. Sie haben progressive und ökologische Positionen preisgegeben und die Interessen der Jugend und der kommenden Generationen verraten – worauf die Jugend reagierte. Gerade Erstwähler und junge Wähler wenden sich inzwischen enttäuscht von der einstigen Friedens- und Ökopartei ab. Bei den Jungwählern unter 27 stürzten die Grünen von 34 Prozent, wie noch bei der Europawahl 2019, auf etwa 11 Prozent bei der jüngsten Europawahl ab.
Vor vier Monaten erklärte der zehnköpfige Vorstand der Grünen Jugend, der Jugendorganisation der Grünen, seinen Austritt aus der Partei. Vorstände der Landesverbände folgten. Nicht wenige sehen nun in der Linken eine neue politische Heimat. Die Linke sollte sie mit weit offenen Armen empfangen.
Auch in der SPD gibt es an der Basis eine große Unzufriedenheit mit der Klimapolitik der Partei und der von ihr geführten Regierung und erheblichen Widerstand gegen die Politik der Aufrüstung und der militärischen Eskalation.
Die Zeit scheint reif für etwas Neues: eine soziale und ökologische Alternative für Klimaschutz, Frieden und soziale Gerechtigkeit.
Für einen historischen Kompromiss
Ein solches Bündnis für das Leben könnte eine neue politische Heimat für viele enttäuschte (Ex-)Grüne und für viele enttäuschte friedens- und umweltbewegte (Ex-)SPDler sein. Auch andere ökologische Kräfte wie Tierschutzpartei, Klimaliste, ÖDP und die großen Umweltverbände sind zur entschlossenen Mitwirkung aufgefordert.
Notwendig wäre so etwas wie ein historischer Kompromiss, der angesichts der Klimakatastrophe und eines drohenden neuen Weltkrieges das Gemeinsame betont und das Trennende zurückstellt. Die bisher zersplitterten progressiven Kräfte sollten gemeinsam eine geistige und letztlich natürlich auch eine politische Hegemonie in der Gesellschaft anstreben, eine Alternative für das Leben, und dafür Druck machen.
Für einen solchen Aufbruch ist es jetzt allerhöchste Zeit – es braucht ein starkes links-grün-alternatives Gegengewicht in der Gesellschaft, an dem nicht einfach so vorbeiregiert werden kann.
Der Autor war Mitbegründer des Neuen Forums in Leipzig und hat zahlreiche Artikel zu Klima und Klimapolitik veröffentlicht. Längere Fassung, speziell auf die Linke bezogen: oekologische-plattform.de