Mein Name ist Björn und ich bin Schriftsteller und ich habe ein Aquarium und ich schreibe hier ab jetzt über meinen Bio-Müll. An dem großartigen Aufbau des ersten Satzes haben Sie ja schon bemerkt, dass ich mein Handwerk beherrsche. Man kann über alles schreiben, wirklich alles. Manche schreiben ganze Zyklen von assoziativen Gedichten über die Beschaffenheit der Erdoberfläche, andere breiten auf 1500 Seiten ihren Weltschmerz aus und wieder andere schreiben über die gelungene Liebe in einem Elbvorort im 18. Jahrhundert zwischen einem, der eine andere heiraten soll, und einer, die einen anderen heiraten soll. Also warum nicht über Bio-Müll. Wir haben ein sehr schönes Foto in unserer Wohnung, das so schön ist, dass wir es schon an verschiedenen Wänden zu hängen hatten. Nun hat es seit einigen Monaten einen festen Platz und den wird es wohl auch behalten. Dabei ging es uns um pure Schönheits-Optimierung. Der Biomüll hatte von Anfang an seinen Platz – zwischen Spüle und Herd, auf einer schmalen Arbeitsfläche. Und nein, ich könnte nicht behaupten, dass ich eine besondere Zuneigung zu diesem Behältnis habe, in das wir die Biomüll-Tüte stellen. Es ist einfach da wie das Wetter, die FDP und die Laune von Leuten, die behaupten: Ick kann nich meckern. Wir wohnen in dieser Wohnung seit nahezu 10 Jahren und seit dem ersten Tag steht der Biomüll an dieser Stelle. Er ist – kann man wirklich so sagen – eine Konstante in meinem Leben. Ansonsten habe ich keine weitere feste Bindung zu ihm, die hier zum Thema werden könnte, versprochen! Ich verspreche Ihnen auch ganz fest, dass ich jegliche kulturwissenschaftliche Ausflüge über den Müll, seine Geschichte, sein Wirken und so weiter unterlasse. Ganz sicher. Aber wer weiß, wir werden sehen. Das Aquarium ist ein Corona-Aquarium. Irgendwann waren wir in einem Zustand, in dem wir uns etwas mehr Bewegung und Schönheit in der Wohnung und überhaupt in der Welt wünschten und es sollte nicht gleich ein Hund sein. Hunde finde ich eh doof. Hunde sind eigentlich die Vollidioten unter den Tieren. Sie machen einfach alles, wirklich alles mit, haben keinen Charakter und sehen auch noch bescheuert aus. Wenn Ihnen hier in dieser Kolumne irgendetwas mal nicht passen sollte, was durchaus passieren könnte, schreiben Sie nicht gleich an die Redaktion. Ist nur meine Meinung, Sie haben auch eine. Ist doch schön! Sie schreiben Ihre einfach auch irgendwohin. Das liest dann wieder jemand, der wieder eine ganz andere Meinung hat, und schreibt auch wieder was. Na ja, und so weiter und so bilden wir eine große, stetig wachsende Schreibgruppe und Langeweile kommt auch nie auf. Aber ganz ehrlich: Ich brauchte nur gerade etwas, wo bei einer größeren Anzahl von Menschen der Erregungspegel steigt. Dafür sind Hunde immer gut. Manchmal streichele ich sogar einen. Aber ich war bei den Fischen. Die ersten Tage saßen wir vor dem Aquarium und wir sahen bestimmt etwas unterbelichtet aus, wie wir da in feinster Harmonie mit allen Sinnen den Bewegungen der Fische folgten. Ich war selbst von den Pflanzen, die sich in Strömungsrichtung neigten, so angetan, dass ich sie anfangs täglich, manchmal sogar mehrmals täglich fotografierte. Als der erste tote Fisch im Aquarium trieb, war die Idylle natürlich dahin. Den beiden schönsten hatten wir sogar Namen gegeben. Der tote Fisch war zum Glück kein schöner Fisch gewesen. Und wir waren konfrontiert mit der Tatsache, dass wir dieses tote Tier zu verantworten hatten. Sie lächeln jetzt vielleicht ein wenig süffisant, weil Sie mir das mit den Hunden noch übelnehmen, und klar, mit Hunden passiert das nicht ohne Weiteres. Da müssten Sie schon richtigen Mist gebaut haben. In einem Aquarium passiert es leider hin und wieder, dass ein Fisch stirbt und – das müssen Sie mir glauben – wir geben uns alle erdenkliche Mühe, dass es unseren Fischen gut geht. Na ja, und wenn es eben wieder Zeit ist, gehen wir los und kaufen neue. Das ist so ähnlich wie bei Nazis oder Berliner Senatoren für Kultur. Wenn davon welche weg sind, kommen auch immer neue. Denken Sie dran, Sie schreiben nicht an die Redaktion! Früher, als alles früher war, wurde der Fisch von morgen in die Nachrichten von heute gewickelt. Aber was, überlegten wir, machen wir nun mit diesem kleinen toten Wesen? Meine Frau und unsere Kinder ernannten mich ziemlich schnell und einstimmig dazu, den Leichnam herauszufischen und zu entsorgen. Und nein, sie würden das unter keinen Umständen tun, nein, einfach nein. Alles klar, dachte ich, ich werde das jetzt einfach machen, heldenhaft und ohne zu zögern. Ich holte den Kescher und entnahm den Fisch. Damit ging ich zielstrebig in die Küche, sah eine ganze Weile in den Biomüll, in dem Kartoffelschalen und zwei Apfelgriebsche eine interessante Schicht bildeten, hob den Arm mit dem Kescher und verharrte in der Bewegung. Ich sah den kleinen Fisch an, hatte plötzlich diese Szene aus dem Film „Findet Nemo“ vor Augen, in der ein Kind einen Fisch die Toilette herunterspült, um ihn zu befreien, und dachte, dass das vielleicht der bessere Weg ist, so bekäme dieses Tier immerhin eine Wasserbestattung. Was soll ein Fisch auch zwischen Kartoffel- und Apfelresten verrotten? Ich ging ins Bad, übergab den Fisch den Weiten des Wassers, sah eine ganze Weile in die Toilettenschüssel zu dem kleinen blauen, sanft schillernden Fisch in diesem klinisch-weißen Behältnis, der völlig verloren wirkte, und empfand eine leichte Traurigkeit und auch Schuld, dass wir es waren, in deren Obhut dieses kleine Lebewesen sein frühes Ende fand. Dann dachte ich daran, wie viele Tiere ich in meinem Leben schon gegessen hatte, verhärtete immer weiter und sagte dann leise „Alter, es ist nur ein Fisch“ und drückte die Spülung. Mittlerweile passiert es nur noch ganz selten, dass uns ein Fisch stirbt. Das Aquarium ist, wie wir Aquaristik-Profis sagen, eingespielt. Danach kamen die Katzen, aber das ist eine andere Geschichte.

Grafik: Gordon Johnson/Pixabay
Ich kann Björn Kuhligk vollkommen verstehen, aber ich würde etwas differenzieren. Die Vollidioten findet man eher am anderen Ende der Leine, und das auch nur bei einer Minderheit der Hunde. Wie es aber eben so ist, hat der Hund keine Wahl, und der Mitmensch leider auch nicht immer. In diesem Sinne herzlichen Dank an Björn Kuhligk für seine wohlgesetzten, bewusstseinserweiternden Worte und weiterhin einen guten Schreiberfolg!