Was als Wohnraum für rund 300 Menschen begann, endet mit dem Abrissbagger. In der Habersaathstraße 40-48 in Berlin-Mitte steht das ehemalige Schwesternwohnheim der Charité, das nun der Immobilienspekulation zum Opfer fällt. Die Eigentümerin Arcadia Estates möchte das Gebäude abreißen und neu bauen, obwohl es bewohnt ist und keine besonderen Mängel aufweist. Der Großteil der Mieter:innen wurde durch teils kriminelle Methoden vertrieben.

Trotz des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes, das schützenswerten Wohnraum vor der Zerstörung bewahren soll, hat das Bezirksamt den Abriss genehmigt. Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne) sagte dazu, es gebe „keine Rechtsgründe mehr, die Genehmigung zu versagen“. Denn die Eigentümerin hat sich zum Bau von Ersatzwohnraum verpflichtet, dessen Miete „von einem durchschnittlich verdienenden Arbeitnehmerhaushalt“ finanziert werden kann. Ob das gelingt, ist fraglich – wo die jetzigen Bewohner:innen unterkommen sollen, auch.

14.000 Abrisse pro Jahr

Das Statistische Bundesamt schätzt, dass jedes Jahr etwa 14.000 Gebäude in Deutschland abgerissen werden. Da in vielen Bundesländern keine Abrissgenehmigung erforderlich ist, gibt es eine hohe Dunkelziffer. Der „Abriss-Atlas.de“ versucht das Ausmaß in einer digitalen Karte sichtbar zu machen. Wer Fälle kennt, kann sie auf der Internetseite selbst eintragen.

Um willkürliche und klimaschädliche Abrisse künftig zu verhindern, fordern Umwelt- und Architekturverbände strengere Regeln. Ein Rechtsgutachten der Deutschen Umwelthilfe zeigt, dass eine bundesweite Genehmigungspflicht rechtlich möglich und von den Ländern direkt umsetzbar wäre.

Umbau fördern

Dass es auch anders geht, zeigen die „Renovation Stories“ der europäischen Bürgerinitiative „House Europe“. Eine Website zeigt Beispiele erfolgreicher Umbau-Projekte. Die Initiative, die von der Grünen Liga unterstützt wird, fordert eine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen auf EU-Ebene. Denn ginge die aktuelle Abriss-Praxis weiter, würden bis 2050 eine Milliarde Quadratmeter Bestandsfläche in Europa abgerissen. Das entspricht der Hälfte des Wohnraums in Deutschland.

Europäische Bürgerinitiative (Volksbegehren) unterschreiben:
houseeurope.eu
oder in der Ausstellung „Fix It! – Umbau statt Abriss“ zu erfolgreichen Umbauprojekten, bis 26. September, Mo-Fr 9–17 Uhr, Torgauer Str. 12-15, Schöneberg, Eintritt frei.

Mehr Infos:
grueneliga.de/wohnen

Die Initiative strebt an, Sanierung und Umbau zur neuen Norm zu machen, denn das Potenzial bestehender Gebäude wird bisher bei Weitem nicht ausgeschöpft. Zum einen geht es um Steuervergünstigungen für Renovierung, Sanierung und Wiederverwendung von Baumaterialien.

Zum anderen werden umfassende EU-weite Bewertungskriterien für Gebäude gefordert. Bisher werden bei Bestandsgebäuden vor allem Risiken betrachtet, während bei Neubauten die Lebenszykluskosten außen vor bleiben. Das führt zu einer schlechteren Bewertung von Bestandsgebäuden durch Unternehmen und Verwaltungen.