Die beiden Ex-Flughäfen Tegel und Tempelhof sind sich in vielem ähnlich. Aber auch in vielem unähnlich. Auf dem Tempelhofer Feld tummeln sich an einem Sommerabend hunderte Menschen, genießen den Sonnenuntergang und ducken sich vor den tieffliegenden Junikäfern weg. Urbanität und Natur treffen direkt aufeinander.
Anders in Tegel: Fährt man mit dem Bus 109 bis zur Endhaltestelle „Urban Tech Republic“, hat man das Gefühl, am sprichwörtlichen Arsch der Heide angelangt zu sein. Das ist nicht ganz unzutreffend, denn auf dem stillgelegten Flugfeld entsteht der Landschaftspark Tegeler Stadtheide. Feldlerchen haben freien Zutritt, aber Menschen müssen (noch) draußen bleiben.
Ich habe trotzdem die Reise zum Arsch der Heide auf mich genommen, um an einer geführten Tour teilzunehmen. Mit Elektrocars wurden wir über die riesige Freifläche kutschiert und bekamen bei mehreren Stopps Einblicke in die Planung und die Landschaftsökologie.
Biodiversität und Stadtklima
Die Flughafennutzung hat in Tegel zu der Entstehung von wertvollen Biotopen beigetragen, vor allem Sandtrockenrasen und trockene Sandheiden. Diese Biotoptypen beherbergen viele angepasste Pflanzenarten und spezialisierte Tierarten – Vögel, Wildbienen, Heuschrecken, Spinnen. Die Fläche ist zudem ein großes Kaltluftentstehungsgebiet. Grade diese Funktion wird oft unterschätzt, auch in Bezug auf das Tempelhofer Feld. Die Offenlandschaften werden tagsüber zwar heiß, kühlen sich aber nachts rapide ab und sind äußerst wichtig für das Stadtklima.
Zukünftig soll die Tegeler Stadtheide den Berliner*innen aber auch zur Freizeitnutzung und Erholung dienen. Die sogenannte Kampfmittelräumung ist hier bereits abgeschlossen und die Planung läuft. Die Freianlagen-Baumaßnahmen sollen 2028 starten und 2030 abgeschlossen sein. Um Flora und Fauna nicht zu stören, werden große Flächen als Weiden eingezäunt. So findet gleichzeitig Landschaftspflege mit Weidetieren statt und Menschen werden von sensiblen Flächen ferngehalten.
Für Besucher*innen sind vor allem die Randbereiche, ein neues Wegenetz und die Rollbahnen vorgesehen. Wie beim Tempelhofer Feld zeichnet sich das Tegeler Rollfeld durch seinen freien Blick aus, den man dann von einer neuen Aussichtsplattform genießen kann. Gegen die sengende Sonne soll es kleine Schatteninseln auf der Start- und Landebahn geben. Ein Bereich ist für Jugendliche vorgesehen, die sich künftig auf einer BMX-Strecke austoben können.
Ausgleich für Bauprojekte
Im Gegensatz zum Tempelhofer Feld ist die Tegeler Stadtheide viel weniger von städtischen Strukturen umzingelt und es gibt (bisher) keine direkten Anwohner*innen. Die gesamte Stadtheide wird weiter umzäunt bleiben, aber es soll Durchgänge zu den angrenzenden Naturräumen geben, so dass man zum Jungfernheide-Forst (nicht zu verwechseln mit dem Volkspark Jungfernheide) und zum Flughafensee gelangen kann. Hier konnte man früher beim Planschen die Flugzeuge im Fünfminutentakt starten sehen.
Nachdem die letzte Maschine 2020 den Flughafen verlassen hat, sind noch einige Hubschrauber der Flugbereitschaft der Bundeswehr in Tegel stationiert. Sie sollen später an den BER in Schönefeld umziehen und das Gelände soll ebenfalls in die Tegeler Stadtheide integriert werden.
Die emotionale Beziehung der Berliner*innen zum Tempelhofer Feld ist innig. 2014 haben sie beim Volksentscheid beschlossen, das Feld zu 100 Prozent als Freiraum für Mensch und Natur zu erhalten. Auch hier ist der Flughafen Tegel anders, vielleicht wegen seiner Randlage. Jedenfalls gab es keinen Aufschrei, dass die Natur nur etwa 190 der fast 500 Hektar Flughafenfläche zugesprochen bekommt.
Die Tegeler Stadtheide ist dabei auch Ausgleichsfläche für kommende große Bauprojekte. Der Bebauungsplan sieht die Errichtung des Forschungs- und Industrieparks „Urban Tech Republic“ vor, in dem neben Unternehmen auch Teile der Berliner Hochschule für Technik (BHT) untergebracht werden sollen. Die Berliner Feuerwehr will eine Rettungsakademie errichten. Und das „Schumacher Quartier“ mit über 5000 Wohnungen soll in der Nähe des Kurt-Schumacher-Platzes entstehen. Baubeginn soll im August 2026 sein, Mitte 2028 könnten die ersten Wohnungen bezugsfertig werden.
Lohnender Ausflug
Bereits heute leben Menschen hier am Arsch der Heide. Zwischen 2022 und 2025 sind insgesamt 120.000 Geflüchtete aus der Ukraine und anderen Ländern durch das behelfsmäßig errichtete Ankunftszentrum gegangen, das immer wieder für seine miserablen Lebensbedingungen in der Kritik stand. Aktuell sind hier noch 3000 Geflüchtete untergebracht, die Nutzung wurde kürzlich vom Berliner Senat bis 2031 verlängert.
Am Ende der informativen Tour bekamen wir noch je eine kleine Tüte mit Schafwollpellets aus eigener Produktion geschenkt, mit der man Garten- oder Balkonpflanzen düngen kann. Die Touren mit Elektrocar oder eigenem Fahrrad werden organisiert vom Campus Stadt Natur, der Umweltbildungssparte der Grün Berlin GmbH, einer landeseigenen Servicegesellschaft für Freiraumplanung und Parkpflege. Es gibt mehrere Touren zur Auswahl. Für Erwachsene kostet der Ausflug fünf Euro, unter 18 ist er kostenfrei.