Kaum sichtbar, aber beharrlich arbeiten sie jeden Tag daran, dass unsere Städte lebenswerter werden: Sie entwerfen Pläne, wägen einander widersprechende Interessen ab und verlieren nie das große Ziel aus den Augen: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verwaltungen sind die eigentlichen Held*innen der Verkehrswende. Sie verschaffen ihr den langen Atem, den sie braucht.

2020 stand die Welt plötzlich still, auch in Berlin. Wegen der Corona-Pandemie und der rückläufigen Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs wurde Radfahren schlagartig beliebter. Das Problem war aber der Abstand der Radfahrenden untereinander und zu den Kfz. Mit Rückendeckung der Politik reagierte die Verwaltung blitzschnell: Innerhalb von zehn Wochen wurden etwa 25 Kilometer der europaweit ersten Pop-up-Radwege eingerichtet.

Pragmatisch und ergebnisorientiert

Das war nur durch gute Zusammenarbeit möglich: Um sicherzugehen, dass wirklich die Straßenabschnitte gewählt wurden, wo der Bedarf am größten war, berieten Verwaltungsmitarbeiter*innen sich vorab mit Verbänden und der Zivilgesellschaft. Planer*innen aus Bezirk und Senat trafen sich dann auf der Straße, besprachen das Vorgehen und ordneten die temporäre Infrastruktur an. Mit ein paar Handgriffen wurden Baken aufgestellt und gelbe Markierungen auf die Fahrbahn aufgetragen – fertig war der Radweg.

Pragmatische Lösungssuche, schnelle Reaktion, parallele Abstimmung mit vielen Beteiligten auch in der Zivilgesellschaft und schlichtweg Mut waren die Voraussetzungen für dieses effiziente Verwaltungshandeln. Auch das Mobilitätsgesetz spielte eine entscheidende Rolle: Die temporäre Einrichtung war nichts weiter als eine Vorstufe zu den gesetzlich vorgeschriebenen Radverkehrsanlagen. Die Verstetigung erfolgte dann auch im Laufe der Folgejahre.

„Kleine Revolution“

In Berlin und anderswo ist es weit verbreitet, zu denken, dass eine kaputtgesparte Verwaltung einfach nichts auf die Kette kriegt. Die Verwaltung sei langsam, altmodisch, behäbig, uneinsichtig und ein Arbeitsplatz der Vergangenheit. Dabei sind es die Mitarbeiter*innen in den Amtsstuben, die für die erforderliche Kontinuität sorgen. Sie wurden in den letzten 10 bis 15 Jahren eingestellt, um die Straßen sicherer zu machen, dem Fuß- und Radverkehr mehr Platz zu verschaffen und den ÖPNV zumindest am Laufen zu halten.

Sie wählten die Kommune oder das Land als Arbeitsplatz, wohl wissend, dass sie hier weit weniger als in der Privatwirtschaft verdienen würden. Sie brachten eine große innere Motivation mit. Als junge Planer*innen haben sie in der Uni gelernt, wie Städte sich verändern können – weg von der autogerechten Stadt hin zu klimaresilienten, urbanen, lebenswerten Räumen für Menschen. Sie haben das Wissen, dies umzusetzen.

Politisch wurde durchaus signalisiert, dass dies die erwünschte Richtung ist. Die Erkenntnisse aus der Forschung sickerten langsam in die Ministerien und die Stadträte ein, die Klimakrise machte die Verkehrswende noch dringlicher. Das gipfelte 2021 in der Ankündigung des CSU-Verkehrsministers Scheuer: „Wir machen Deutschland zum Fahrradland.“ Sogar der Radfahrverband ADFC ließ sich hinreißen und sprach von einer „kleinen Revolution“.

Radwege sind nicht sexy

Aber halt! Die engagierten Planer*innen haben noch viele andere Aufgaben. Mal müssen parlamentarische Anfragen beantwortet werden, mal sind sie mit Bürger*innen in Kontakt, die sich vor allem beschweren, mal müssen sie fachfremde Aufgaben lösen. Und nicht zuletzt fanden sie sich in einer hierarchischen Struktur wieder, die so gar nicht ihren transformatorischen Vorstellungen entsprach. Denn statt pragmatisch und ergebnisorientiert zu arbeiten und die Energie in einen effizienten Prozess zu investieren, ist das Wichtigste in der Verwaltung, nichts falsch zu machen.

In einem stark von Hierarchien bestimmten System bedeuten Fehler Ärger. Es herrscht eine Art strukturelle Verantwortungsdiffusion: Die Verteilung der Zuständigkeiten ist kleinteilig auf viele Schultern verteilt, sodass letztendlich niemand für den Gesamtprozess verantwortlich gemacht werden kann. Regelbindung wird belohnt, Innovation, Out-of-the-box-Denken oder Experimentierfreude gelten als riskant. Das alles bremst die neuen, motivierten Mitarbeiter*innen aus.

Sicher ist es nicht überall so. Manche Kommunen haben das Change-Management hingekriegt, haben die Umlaufmappe gegen projektorientiertes Arbeiten getauscht, haben Prozesse optimiert, das Silodenken überwunden und setzen auf Kooperation statt auf Zuständigkeiten. Aber an vielen, vielen Stellen sitzen noch Beschäftigte, die vom frischen Wind gar nicht so angetan sind.

Denn traditionell haben die Verkehrsbehörden seit Jahrzehnten vor allem eins vor Augen: das Auto. Schöne große Brücken, breite Straßen, ausreichend Parkplätze, Optimierung von Ampelschaltungen für den fließenden Kfz-Verkehr – um solche Dinge geht es noch immer. Dagegen klingen Gehwegvorstreckungen, Parkplatzumwandlungen oder Radwege nicht so richtig sexy.

Verkehrswende im Kopf

Die Verkehrswende findet eben nicht nur auf der Straße statt. Sie findet im Kopf statt und muss sich in den Planungsprozessen niederschlagen. Das Auto wurde mit aller Macht ins Zentrum sämtlicher Planungen gerückt. Alle Prozesse sind aufeinander abgestimmt, von der Forschung über die Gesetze bis zu Planung und Ausführung.

Anders als der Autoverkehr ist die Verkehrswende Gegenstand ständiger politischer Auseinandersetzungen. Um kurzfristig populistisch zu punkten, bremst die Politik die Arbeit der Verwaltungsmitarbeiter*innen aus. 2023 stoppte die Berliner Verkehrsverwaltung unter Leitung von Senatorin Schreiner (CDU) einen 600 Meter langen Abschnitt des Halleschen Ufers, der zu einer „blau-grünen Promenade“ für Fußgänger und Radfahrerinnen umgestaltet werden sollte. Das Projekt wurde vom Bund mit fast drei Millionen Euro gefördert, die Berlin dadurch verfallen ließ.

2024 bat Verkehrssenatorin Bonde (CDU) ihre Verwaltung darum, acht von neun Radschnellverbindungen, die seit Jahren in Planung waren und im Mobilitätsgesetz vorgeschrieben sind, „qualifiziert zu beenden“. Wie muss es sich anfühlen, derart zurückgepfiffen zu werden?

Mitarbeiter*innen in den Verwaltungen wurden angestellt, um solche Projekte zu planen. Sie wissen, dass die Vorhaben unumgänglich sind, um bis 2045 die Klimaneutralität zu erreichen. Die Forschung bestätigt ihnen, dass dies der richtige Weg ist. Kurzfristige politische Kursänderungen werfen ihnen aber einen Knüppel zwischen die Beine – und sie fragen sich: Was mache ich eigentlich hier?

Kein klarer Kurs 

Immer reden wir über Bürokratie und die Verwaltung, als seien sie etwas Schlechtes. Nur mit einem Abbau der Verwaltung werde es besser. Präziser wäre aber zu sagen, dass wir uns in einer Zeit des Wandels befinden, der nur halbherzig vollzogen wird. Es gibt keinen klaren Kurs. Erst wird zum Beispiel das progressive Berliner Mobilitätsgesetz verabschiedet, einige Jahre später werden E‑Autos gefördert, dann plötzlich nicht mehr – und jetzt droht der Verbrenner-Verkaufsstopp ab 2035 zu kippen. In Berlin werden seit ein paar Jahren nur dann Radwege gebaut, wenn keine Parkplätze entfallen.

Mehr Infos:
changing-cities.org

Ohne eine klare Vision hat die Verwaltung aber keine Chance, wirklich gute Arbeit zu machen – und zwar über die nächste Legislaturperiode hinaus. Eine ineffiziente Verwaltung ist das Spiegelbild einer unentschlossenen Gesellschaft. Die Verkehrswende wird nicht an der Verwaltung scheitern. Wenn sie scheitert, dann liegt es an uns.

Die Autorin engagiert sich seit 2018 beim Berliner Verein Changing Cities, der bundesweit lokale Initiativen für lebenswerte Städte berät und begleitet.