Mein Telefon klingelt, es ist Sanni, mit der ich für morgen zum Dinnerdate verabredet bin. An dem Tag soll es in Berlin über 39 Grad heiß werden, viel zu heiß für einen Junitag. In den Medien laufen seit Tagen Hitzewarnungen für Deutschland, in Südeuropa ist die Situation noch dramatischer.

Sanni und ich sind uns schnell einig: Wir brauchen einen neuen Treffpunkt. Bei der Hitze wollen wir jede Anstrengung vermeiden und verabreden uns dort, wo es kühl ist und wir uns erfrischen können: in der Eisdiele „Lanzano“ in der Skalitzer Straße.

Auf meinem Weg durch Kreuzberg komme ich am Lausitzer Platz vorbei. Hier ist 2020 mit Beteiligung der Bürger:innen eine Fußgängerzone entstanden. Parkplätze wurden zu Spielstraßen umfunktioniert, Flächen wurden entsiegelt, und dort, wo einst Autos standen, sind jetzt hübsche Gemüse- und Blumenbeete, die von der Nachbarschaft gepflegt werden.

Es ist kurz nach 14 Uhr, die Sonne knallt erbarmungslos. Meine Augen wandern über den heute komplett leeren Kinderspielplatz am „Lausi“. Die Metallrutsche glüht einsam in der Mittagshitze. Unter einem der großen Bäume, am Rand des Spielplatzes, entdecke ich eine ruhig sitzende Gruppe Eltern und Kinder.

Spaghetti-Eis

Die Eisdiele „Lanzano“, gleich um die Ecke vom Lausitzer Platz, ist bereits gut besucht. Hier ist es angenehm kühl. Wir setzen uns an einen der kleinen runden Tische in der Mitte, mit direktem Ausblick auf die U1.

Hier gibt es das beste Spaghetti-Eis der Stadt, erklärt mir Sanni. Sie geht mit einem guten Freund in unregelmäßigen Abständen Spaghetti-Eis in Berlin testen. Im „Lanzano“ gibt es vor allem die klassischen Eissorten, aber nun bin ich doch zu neugierig geworden auf das Spaghetti-Eis.

Carlo Lanzano steht hinter dem Tresen, mit routinierten Handgriffen macht er für uns zwei Portionen. Sein 71-jähriger Vater Luciano, nur durch eine Glasscheibe von uns getrennt, bewegt sich währenddessen mit einem überdimensionalen Löffel zwischen großen Eismaschinen hin und her. Während wir warten, bekommen wir einen kleinen Einblick in die Eisproduktion. Hinter dieser Glasscheibe werden seit 42 Jahren tagtäglich mit viel Liebe frische Eissorten produziert.

Wir nehmen noch eine Tasse Kaffee und gehen wieder nach draußen. Zwei üppige Portionen Spaghetti-Eis wollen gekostet werden: Vanilleeiscreme mit perfekter Konsistenz, eine angenehm dezente Süße und ein überzeugender Vanillegeschmack. Die Erdbeersoße wird hier aus frischen Erdbeeren selbst hergestellt. Das Topping ist aus geraspelter weißer Schokolade. Portion und Qualität sind überzeugend. In Kombination mit dem italienischen Kaffee ist das definitiv eine 12 von 10.

Öko-Käse

Sanni wohnt mit ihren Kindern schon länger im Kiez. Zum Lausitzer Platz hat die studierte Agrarwissenschaftlerin ein ganz spezielles Verhältnis, wie sie erzählt. Seit 1990 gibt es den Ökomarkt am Lausitzer Platz. Hier hat sie jeden Freitag Käse verkauft. Dazu gekommen ist sie durch ein Praktikum in einer ökologischen Ziegenkäserei in der Lausitz. Die körperliche Arbeit auf dem Hof, das Melken der Ziegen und vor allem die Produktion von Käse, ein langsamer und reiner Prozess, das mochte sie.

Meine Dinnerdate-Gastgeberin

Sanni Dittmar ist im Ruhrgebiet aufgewachsen, hat Agrarwissenschaften studiert und lange im Bio-Groß- und Einzelhandel gearbeitet. Seit 2022 ist sie bei der Grünen Liga Berlin für das Umweltfestival zuständig. Sie liebt es, Orte zu schaffen, um sehr unterschiedliche Menschen zusammenzubringen. (Foto: Sebastian Hennigs)

Käse auf einem Markt anzubieten, mit unterschiedlichsten Menschen, die eine Leidenschaft vereint, ins Gespräch zu kommen, Wertschätzung für ein Lebensmittel auch bei anderen Menschen zu spüren, sich auszutauschen, Stammkund:innen und einen festen Ort zu haben, wo Alltagsbegegnungen möglich sind, das war eine wertvolle Erfahrung. Auch wenn das lange Stehen im Marktstand, das Auf- und Abbauen bei jeder Wetterlage mitunter sehr herausfordernd waren. Aber, fügt sie lachend hinzu, man kann sehen, was man geschafft hat und ist den ganzen Tag an der frischen Luft.

Umweltfestival

Seit mittlerweile drei Jahren organisiert Sanni das jährliche Umweltfestival der Grünen Liga Berlin am Brandenburger Tor. Das eintägige Festival mit Bühne, Mitmachbereich, mehr als 200 Ständen und jährlich über 40.000 Besucher:innen hatte in diesem Jahr sein 30-jähriges Jubiläum unter dem Motto „Jetzt erst recht“. Das Festival, ein überdimensionaler Marktplatz entlang der Straße des 17. Juni, wird von Sanni und einem kleinen Team ein ganzes Jahr lang bis ins kleinste Detail vorbereitet.

Das Umweltfestival war mit seinem sozial-ökologischen Konzept schon immer seiner Zeit voraus. Das Standgebührenkonzept ist solidarisch, hier wurde schon vor 30 Jahren gegendert, Komposttoiletten werden eingesetzt, es gibt ein Spülmobil und ein Mehrwegkonzept, Fahrradparkplätze – und fantastisches Bioessen.

Auch ökonomisch geht das Festival eigene Wege: Es gibt keine Angst vor unkonventionellen Allianzen, ob mit Unternehmen oder der Politik. Das gefällt vielleicht nicht allen, aber dem Team geht es darum, ins Handeln zu kommen und ein großes Fest, einen Begegnungsort für alle Menschen zu ermöglichen.

Affogato

Unsere gemeinsame Zeit ist wie im Flug vergangen, Sanni muss schon wieder los, und ich nutze einen ruhigen Augenblick, um Carlo meine Fragen zu stellen. Sein Vater kam 1983 nach Berlin-Kreuzberg, dort hat er am Kottbusser Tor eine Eisdiele gemanagt. Von seinen Ersparnissen eröffnete er 1986 den ersten eigenen Laden in der Sonnenallee. 2008 hat er dann das „Lanzano“ in der Skalitzer aufgemacht und seit 2017 arbeitet auch Carlo hier.

Das Eismachen hat er von seinem Vater gelernt. Das Spaghetti-Eis sei wirklich das beste der Stadt, sagt Carlo, und außerdem kämen die Gäste auch sehr gern für den Affogato. Das ist eine in Espresso ertrunkene Vanillekugel.

Das „Lanzano“ ist eine Oldschool-Eisdiele: Wer eine Kugel Eis essen möchte, findet hier die klassischen Sorten der Achtzigerjahre. Die Sorte „Cookies“ ist jetzt – auf Wunsch von Carlo – neu im Sortiment.