Neue Zahlen aus Anfragen an die Bundesregierung bestätigen die schlimmsten Befürchtungen: Die Kosten für den 16. und 17. Bauabschnitt der Berliner Stadtautobahn A100 steigen unaufhaltsam. Innerhalb eines Jahres sind die prognostizierten Gesamtkosten für beide Bauabschnitte um 18 Prozent gestiegen – von 1,53 Milliarden Euro im Jahr 2023 auf 1,8 Milliarden Euro im Jahr 2024. Laut Bundesregierung sind dafür vor allem gestiegene Kosten im 16. Bauabschnitt von Neukölln nach Treptow sowie erstmals berücksichtigte Baupreis-Risiken im 17. Bauabschnitt nach Lichtenberg verantwortlich. Dennoch gibt es bislang keine klare Aussage darüber, wo die endgültigen Kosten liegen könnten.
Baukosten haben sich mehr als verdoppelt
Im Jahr 2003 wurden für den 16. Bauabschnitt (Autobahndreieck Neukölln – Anschlussstelle Treptower Park) Kosten in Höhe von 313 Millionen Euro veranschlagt. Heute, mehr als zwei Jahrzehnte später, sind es nach Regierungsangaben 720 Millionen Euro – eine Erhöhung auf das 2,3-Fache. Noch drastischer fällt die Kostensteigerung beim 17. Bauabschnitt (Treptower Park – Frankfurter Allee/Storkower Straße) aus. Während ursprünglich 455 Millionen Euro kalkuliert wurden, liegt die aktuelle Schätzung inzwischen bei 1,1 Milliarden Euro, und das, obwohl der 17. Abschnitt noch nicht einmal vollständig durchgeplant ist.
Die bisherigen Entwicklungen lassen vermuten, dass die Baukosten für den 17. Abschnitt noch weiter steigen werden. Sollte sich der bisherige Trend fortsetzen, könnte dieser Abschnitt am Ende mehr als 2,6 Milliarden Euro kosten. Selbst bei einer moderateren Steigerung um den Faktor 1,5 lägen die Kosten noch immer bei rund 1,6 Milliarden Euro. Und sollte es zu einer Verdreifachung der aktuellen Schätzung kommen, könnten sich die Gesamtkosten auf über 3,3 Milliarden Euro belaufen. Damit könnte die Verlängerung der A100 insgesamt bis zu vier Milliarden Euro verschlingen – eine Summe, die auch Experten angesichts der Erfahrungen mit anderen Großprojekten nicht ausschließen.
Auch ökologisch ein Desaster
Ein bedeutender Unsicherheitsfaktor ist der geplante Tunnel zwischen dem Bahnhof Ostkreuz und der Frankfurter Allee. Tunnelbauten in Großstädten sind technisch anspruchsvoll und kostenintensiv, häufig übersteigen die tatsächlichen Baukosten die ursprünglichen Kalkulationen erheblich. Die Bundesregierung betont, dass die aktuellen Schätzungen diesen Bauabschnitt bereits berücksichtigen, doch wie belastbar diese Annahmen sind, bleibt fraglich.
Neueste Planungen prüfen zudem eine Verlängerung des Tunnels unter die Spree, was die Kosten weiter in die Höhe treiben könnte. Erfahrungen zeigen, dass Tunnel oft deutlich teurer werden als geplant. Ob sich die veranschlagten Kosten halten lassen, ist deshalb ungewiss.
Die Finanzierung der A100 erfolgt aus Bundesmitteln und damit aus Steuergeldern. Währenddessen fehlen dringend benötigte Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr sowie in den Rad- und Fußverkehr.
Neben den finanziellen Aspekten sorgen auch die ökologischen Folgen für Kritik. Der massive Flächenverbrauch durch die Autobahn führt zu einer weiteren Versiegelung der Stadt. Besonders in dicht bebauten Innenstadtvierteln heizen sich Straßen und Gebäude an heißen Sommertagen stark auf und kühlen nachts kaum noch ab. Dieser sogenannte Wärmeinseleffekt verstärkt die sommerliche Überhitzung. Hinzu kommt der Verlust wertvoller Grünflächen, die als natürliche Kühlungszonen dienen und für eine klimastabilisierende Stadtentwicklung entscheidend sind.
Verkehrspolitik von gestern
Die A100 wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Während Metropolen weltweit den Autoverkehr reduzieren und stärker in nachhaltige Mobilitätskonzepte investieren, setzt Berlin mit diesem Projekt weiter auf den Ausbau der Autobahninfrastruktur. Kritische Fachleute bemängeln, dass der Ausbau der A100 nicht nur verkehrspolitisch überholt, sondern auch ökologisch und finanziell fragwürdig sei. Statt weitere Milliarden in eine Autobahn zu stecken, fordern sie eine stärkere Förderung des öffentlichen Nahverkehrs.
Die Kostensteigerungen der vergangenen Jahre zeigen, dass der Ausbau der A100 für Berlin und den Bund zu einer finanziellen Herausforderung geworden ist. Die neue Bundesregierung steht vor der Entscheidung, ob das Projekt in seiner aktuellen Form fortgesetzt wird oder ob eine Neubewertung erfolgt. Bisher gibt es keine offiziellen Statements der Koalitionsparteien zu ihren Plänen. Doch der Druck von Umweltgruppen und Bürgerinitiativen wie dem Aktionsbündnis „A100 stoppen“ wächst.